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Transparenz in Thüringen

Jeder kennt das Sprichwort „Wissen ist Macht“. Und weil in einer Demokratie alle Macht vom Volk ausgeht, brauchen wir entsprechenden Zugang zu Wissen. Trotzdem herrscht in den Bundesländern ein ganz unterschiedliches Niveau an Zugangsrechten zu Informationen staatlicher Stellen – die Basis für eine effektive Beeinflussung politischer Entscheidungen. Doch mit der immer größeren Bedeutung von Informationen im digitalen Zeitalter wachsen nun Reformbestrebungen. So auch in Thüringen. Dort gilt das neue Transparenzgesetz Thüringen („ThürTG“) seit dem 1.1.2020.

Die gute Nachricht: das neue Gesetz geht weiter als das bisherige Informationsfreiheitsgesetz 

Es schnitt im Transparenzranking von Mehr Demokratie und der Open Knowledge Foundation unterdurchschnittlich ab. Außerdem hat die Landesregierung ihren ersten Transparenzgesetz-Entwurf nach Kritik aus Wissenschaft und Praxis an manchen Stellen überarbeitet. 

Das gilt zum Beispiel für den Umfang der Informationen, die veröffentlicht werden müssen. Hier sehen Informationsfreiheitsgesetze oft Ausnahmen für bestimmte sensible Bereiche vor, wie zum Beispiel Gesundheitsdaten der Universitätskliniken. Der Ursprungsentwurf schloss Informationen im öffentlichen Forschungs- und Bildungssektor hingegen von vornherein aus.

Nun können zumindest Informationen rund um die Verwendung von Drittmitteln angefordert werden. Hierzu zählen etwa Ursprung und Höhe der Gelder, die öffentliche Forschungseinrichtungen von Unternehmen oder politischen Stiftungen beziehen. Dadurch können politische und wirtschaftliche Interessenkonflikte besser aufgedeckt werden – ohne die Tätigkeit von Kliniken oder Hochschulen zu gefährden. 

Ein Erfolg ist außerdem die nun ausdrücklich normierte Gebührenobergrenze von 500 Euro. Im Ursprungsentwurf hielt man sich die konkrete Umsetzung noch offen.*

Dennoch legt das Gesetz den Informationssuchenden an einigen Punkten Steine in den Weg

So enthält das Gesetz keine echte proaktive Veröffentlichungspflicht. Stattdessen „sollen“ Informationen von allgemeinem Interesse für die Öffentlichkeit allgemein zugänglich gemacht werden. Auf den ersten Blick Wortklauberei, auf den zweiten Blick ein wichtiges juristisches Detail, das den Behörden große Spielräume lässt. Ein ausdrückliches Recht auf Veröffentlichung wäre besonders wichtig, um dieses auch effektiv einklagen zu können.

Das Gesetz beschränkt die Veröffentlichung von Informationen ferner auf „das Ergebnis oder den Abschluss von Verwaltungsvorgängen“. Hierdurch ist es der Bevölkerung nicht möglich, schon während eines laufenden Verfahrens Einfluss zu nehmen, sondern erst wenn das Kind womöglich bereits in den Brunnen gefallen ist. 

Eine weitere Hürde stellen die Regeln zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen dar. Sind diese berührt, gewährt das Gesetz nur in engen Ausnahmefällen Informationszugang. Die Begründungslast liegt dabei bei den einzelnen Informationssuchenden, denen im Vergleich zu Behörden und Unternehmen ohnehin oft weniger Mittel zur Verfügung stehen. Das öffentliche Informationsinteresse wird im ganzen Abschnitt überhaupt nicht berücksichtigt, sondern wieder in der Gesetzesbegründung „geparkt“.

Es ist richtig, wenn die Thüringer Landesregierung auf den verfassungsrechtlichen Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen hinweist. Eine zusätzliche Begründungslast folgt daraus aber nicht zwingend, wie das Hamburger-Transparenzgesetz („HmbTG“) oder das Transparenzgesetz in Rheinland-Pfalz („LTranspG“) zeigen. Eine vorgefertigte Liste von Fällen, in denen ausnahmsweise ein Informationsrecht besteht, ist ebenso wenig sinnvoll. Stattdessen sollte die Verwaltung von sich aus eine ergebnisoffene und einzelfallorientierte Abwägung vornehmen.

Schließlich hinkt das ThürTG bereits vor Inkrafttreten seiner Zeit hinterher, weil es keine Open-Data-Pflicht enthält. Verarbeitungs- und entwicklungsfähige Daten sind bereits heute ein wichtiges Gut. Sie werden es in Zukunft umso mehr sein.

Insgesamt bleibt das neu erarbeitete ThürTG also hinter dem Anspruch zurück, den die Landesregierung für sich reklamiert, nämlich einem modernen Staatsverständnis. Dafür finden sich einfach zu viele altbekannte Probleme darin wieder.

Die Forderung nach einer Stärkung der Informationsfreiheit bleibt aktuell

Zumal die oft genannte Vorbildfunktion Hamburgs durch die aktuellen Reformbestrebungen des Landes gefährdet ist. Diesbezüglich hat Netzpolitik.org bereits auf die geplante – für Informationssuchende mitunter gefährliche – Adressweitergabe hingewiesen. Ebenso hervorzuheben ist die Kritik an Pauschalausnahmen für Landesbanken und Steuerverwaltung. Dabei schreien beide Bereiche geradezu nach öffentlichem Interesse.

Trotz allem kann man aber mit einem positiven Ausblick in das neue Jahr starten: In Niedersachsen liegt seit Oktober erneut ein Entwurf zur Einführung eines IFG vor, das auch Veröffentlichungspflichten enthalten soll. Und in Berlin hat das Bündnis Volksentscheid Transparenz am 03. Dezember über 30.000 Unterschriften für ein Transparenzgesetz an die zuständige Senatsverwaltung übergeben. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Ausrufezeichen für den Wunsch nach mehr Transparenz als Anlass gesehen wird, hier als Hauptstadt eine Vorreiterrolle einzunehmen. 

 

* Anm. d. Verf.: In der Erstversion des Artikels wurde auf den Ursprungsentwurf verwiesen und die fehlende Verbindlichkeit der Gebührenobergrenze kritisiert. Dies wurde inzwischen korrigiert.

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